Wishing Wishes

Nach über einem Jahr Vorbereitung in drei Workshops (siehe unten) soll es im September 2022 endlich so weit sein: Nach wenigen Auffrischungstagen soll die gemeinsam erarbeitete Choreografie einem Publikum gezeigt werden. Doch das Wiederaufflammen des Krieges um Bergkarabach, von dem die Heimatdörfer der beteiligten Jugendlichen direkt betroffen sind, lässt uns zögern. Schliesslich schlagen unsere armenischen Partner vor, aus Sicherheitsgründen auf Aufführungen in den Heimatdörfern der Jugendlichen zu verzichten, dafür aber in Dilidschan und in der Hauptstadt Jerewan aufzutreten. Für die Familienangehörigen und Freund*innen der jungen Tänzer*innen zu Hause wird ein Busservice zu den Aufführungsorten eingerichtet.

Die beiden Vorstellungen sind ein voller Erfolg. Die 24 Jugendlichen – Mädchen und Jungen zwischen 12 und 17 Jahren – zeigen mit grossem Selbstbewusstsein ihr Stück, das Elemente des traditionellen armenischen Tanzes mit solchen des improvisierten zeitgenössischen Tanzes vereint und ganz persönliche Setzungen der einzelnen Beteiligten beinhaltet. Die Verbindung der Tanzkulturen, die in den vorausgehenden Workshops die grosse Herausforderung darstellte, ist geglückt. Alle können hinter dem Ergebnis stehen, und das Publikum ist begeistert: Es sind Momente von Freude und gemeinsam erlebtem Erfolg in einer für die Armenier*innen so schwierigen und ungewissen Zeit.

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Der dritte Wishing-Wishes-Workshop vom 11.–17. April 2022 war in dieser Form nicht geplant, in dem Zeitraum hätte die gemeinsam erarbeitete Choreografie eigentlich bereits auf Tour durch die Heimatorte der Beteiligten gehen sollen. Doch das prozessorientierte Arbeiten hat deutlich mehr Zeit und Kraft erfordert als gedacht. Zwischenzeitlich war nicht ganz klar, ob und wie sich der armenische und der zeitgenössisch-europäische Tanz überhaupt miteinander verbinden lassen – und zwar so, dass alle voller Überzeugung hinter dem Ergebnis stehen können. Doch am Ende dieses zusätzlichen Workshops findet die Tanzperformance der 25 Jugendlichen eine beeindruckende Form. Begleitet wird die Performance nun von der armenischen Band Tiezerk, der eine ideale Verbindung aus zeitgenössischer und traditioneller Musik gelingt. „Wenn man mit vereinten Kräften konzentriert arbeitet“, sagt der Tanzlehrer Artur Grigoryan, „dann überzeugt am Ende auch das Ergebnis.“

Der zweite Wishing-Wishes-Workshop vom 25.–31. Oktober 2021 hält einige Herausforderungen für alle Teilnehmer*innen bereit. Ausgehend von ihren Wünschen – kleinen und grossen, für sich selbst, für andere und für die Gesellschaft – entwickeln die Jugendlichen unter Anleitung der Schweizer Workshopleiter*innen eigene Bewegungen und Choreografien. Sie experimentieren, kombinieren und lösen dabei die Grenze zwischen männlichen und weiblichen Bewegungen, die im armenischen Tanz sehr stark ist, auf. Gerade an dieser Auflösung von durch die Tradition vorgegebenen Bewegungen arbeitet die Gruppe gemeinsam mit den armenischen Tanzlehrer*innen der Jugendlichen intensiv. Das bereitet allen viel Freude, kostet aber auch Kraft, denn während im zeitgenössischen Tanz die Choreografie zumeist aus dem Prozess heraus mit allen Beteiligten gemeinsam erarbeitet wird, ist es im armenischen traditionellen Tanz üblich, dem Ensemble eine durchgearbeitete Choreografie vorzugeben. Trotz dieser unterschiedlichen Herangehensweisen überzeugt das Ergebnis dann aber alle gleichermassen und versöhnt die unterschiedlichen Welten.

Wishing Wishes beginnt 2021/22 in Armenien – aufgrund des erneuten Bergkarabachkriegs 2020 ein Jahr später als geplant. Vom 15. bis zum 20. Juni 2021 reisen 25 Jugendliche im Alter zwischen 11 und 17 Jahren aus elf Orten, die unmittelbar an der Grenze zu Aserbaidschan liegen, nach Dilidschan und finden beinahe augenblicklich zu einer grossen, untrennbaren Gruppe zusammen. Während des ersten Workshops geben die schweizerischen Tänzer*innen und Choreograf*innen Meret Schlegel und Kilian Haselbeck eine Einführung in den zeitgenössischen Tanz. Körperübungen und Improvisationen vermitteln den Jugendlichen neue Ansätze, um durch freie Bewegung auf Musik zu reagieren und Emotionen und Wünsche auszudrücken. Auch die schweizerischen Projektbeteiligten erhalten durch die armenischen Tanzlehrer*innen Satik Arzumanyan, Armine Harutyunyan, Artur Grigoryan und Gayane Vardanyan einen Einblick in den armenischen Tanz. Sie erfahren den Unterschied zwischen dem energetischen, im Gruppenzusammenhalt getanzten Volkstanz und dem stilisierten, stark durch die sowjetische Balletttradition beeinflussten sogenannten nationalen Tanz.

Wie stark die Lebenswelt der Jugendlichen auch während dieser kurzen Auszeit vom allgegenwärtigen Krieg geprägt ist, zeigt die Namenswahl der neu gebildeten Tanzcompanie: Dancing Mountains – denn den Bergen verdanken die Teilnehmer*innen, wie sie es formulieren, ihren Schutz während des Kriegs.